VII. NEUE TECHNOLOGIEN & ARBEITSRECHT

Alltäglicher Umgang mit neuen Möglichkeiten

Titus Thoma
Rechtsanwalt & Notar

Annika Sonderegger
Rechtsanwältin & Notarin

Technologiewandel

3‘284‘730 Apps standen im Juli 2018 auf der Plattform Google Play zum Download bereit. Ganz egal, ob ein Bahnticket gekauft, der tägliche Kalorienverbrauch gezählt, Fotos geteilt, an Sonderangebote oder an Termine erinnert werden soll: Die passende App ist erhältlich. Entsprechend werden die kleinen Helfer (und Störer) in allen Lebenssituationen verwendet – auch bei der Arbeit. Der Gesetzgeber hinkt der Entwicklung hinterher. Arbeitgeber und Mitarbeitende haben Klarheit zu schaffen und damit das Missbrauchs- und Konfliktpotential zu senken. Für die Nutzung neuer Technologien und Medien sowie den sinnvollen Einsatz am Arbeitsplatz werden Leitplanken benötigt.

Ein Geben und Nehmen

Mit den weitverbreiteten Smartphones sind die meisten Mitarbeiter jederzeit erreichbar – selbst während ihren Ferien. Dadurch ergeben sich Konflikte mit dem Arbeitsrecht, welches neben der Arbeitszeiterfassung auch Höchstarbeitszeiten, ein Verbot von Nacht- und Sonntagsarbeit sowie den ununterbrochenen Feriengenuss vorschreibt. Die ständige Erreichbarkeit wirkt auch in die andere Richtung: Private WhatsApp-Nachrichten oder E-Mails werden während der Arbeitszeit beantwortet, wodurch die Arbeitspflicht verletzt wird. Dennoch ist ein absolutes Verbot in den wenigsten Fällen sinnvoll. Sicherlich sind weder Konzentrationsverlust noch zeitraubendes privates Chatten akzeptabel und auch der Anruf des Chefs um 03:00 Uhr in der Nacht ist unerwünscht. Besser als generell verbieten wäre es, gemeinsam Rechte und Pflichten bezüglich der Nutzung von technischen Hilfsmitteln sowie der geschäftlichen und privaten Erreichbarkeit festzulegen. Es empfiehlt sich, eine für beide Seiten befriedigende Lösung zu suchen; eine ständige Erreichbarkeit zu verlangen und gleichzeitig jegliche private Nutzung während der Arbeitszeit zu verbieten, macht keinen Sinn. Die Balance muss stimmen. Auch der klassische «Dienst nach Vorschrift» kann nicht das Mass sein.

Massgebend ist heute selten die Arbeitszeit und blosse physische Präsenz, sondern vielmehr die erzielte Wirkung – der eigentliche Arbeitserfolg.

Vorsicht:
Ihre Daten im WorldWideWeb

Sind Tweets oder Kommentare auf Facebook privat oder öffentlich? Wie ist mit «gutgemeinter» Werbung von übermotivierten Mitarbeitenden auf Instagram oder LinkedIn umzugehen?

Mitarbeitende haben die Interessen des Arbeitgebers zu wahren und alles zu unterlassen, was dem Arbeitgeber schadet. Gleichzeitig besitzen Mitarbeitende ein Recht auf Privatsphäre sowie ein Recht auf freie Meinungsäusserung. Diesem Konflikt ist zu begegnen. Die Nutzung sozialer Medien zu verbieten ist weder zeitgemäss noch rechtlich durchsetzbar. Vielmehr ist im gemeinsamen Austausch zwischen Arbeitgeber und Mitarbeitenden zu definieren, wer, was, wie, wo und wann kommuniziert. Ein solcher Austausch sensibilisiert. Gleichzeitig kann der Arbeitgeber von der Technikaffinität seiner Mitarbeitenden profitieren und neue Werbekanäle oder Absatzmöglichkeiten entdecken. So können mit Einwilligung der Mitarbeitenden bspw. private Instagram-Profile als Imageplattformen verwendet werden. Auf der anderen Seite sollten private Kontakte auf Smartphones der Mitarbeitenden nicht ohne Erlaubnis mit dem CRM-Programm des Arbeitgebers synchronisiert werden.

 

Vorsicht ist besser als Nachsicht

Was passiert mit Ihren Geschäftsdaten bei Verlust des Tablets? Wie schützen Sie das Firmennetzwerk vor Viren von ungeschützten und fahrlässig gebrauchten Smartphones?

Neue Technologien schaffen nicht nur Diskussionsstoff, sondern erleichtern die Arbeit massgeblich: Bilder für PowerPoint-Präsentationen werden im Internet heruntergeladen, das Firmenvideo wird mit Szenen und Filmmusik aus einem Blockbuster aufgelockert. Was jedoch, wenn plötzlich ein Rechteinhaber oder die SUISA beim Arbeitgeber anklopft und eine Entschädigung fordert? Eine Weisung des Arbeitgebers zur Unterlassung ist zwar der erste Schritt. Wird diese jedoch folgenlos ignoriert und der Arbeitgeber mit einer Rechtsverletzung konfrontiert, kann er von den Mitarbeitenden keinen Schadenersatz fordern. Regelmässige Schulungen sowie schriftliche Erinnerungen sind notwendig.

Treffen Sie technische Massnahmen: Mit wenig IT-Aufwand lassen sich bestimmte Internetseiten sperren (z.B. facebook.com), der Download gewisser Dateiformate (z.B. .avi) sowie ausführbare E-Mail-Anhänge unterbinden, Laufwerke und USB-Anschlüsse dem Zugriff entziehen und Benutzerrechte zurückbinden. Nicht zuletzt sind Antivirensoftwares einzusetzen und Systemupdates zeitnah durchzuführen. Rechtzeitig installierte Software erlaubt zudem den Fernzugriff auf Smartphones oder Laptops im Falle des Abhandenkommens.

 

Praktisch: IT-Nutzungsreglement

Die getroffenen Vereinbarungen sind am besten in einem IT-Nutzungsreglement schriftlich festzuhalten. Nicht zuletzt kann damit auch das Minenfeld «Überwachung am Arbeitsplatz» geräumt sowie die Sanktionen der Nichtbeachtung des Nutzungsreglements in Aussicht gestellt werden.

 

Mögliche Inhalte sind:

  • Nutzungsbeschränkung für private Zwecke während der Arbeitszeit bzw. Erlaubnis während Pausen am Arbeitsplatz;
  • Klare Definitionen der «zulässigen Nutzung» und der «missbräuchlichen Nutzung» inkl. absolut verbotener Inhalte und Tätigkeiten;
  • Kosten, Ausfall, Datenschutz, Haftung bei eigenen Geräten am Arbeitsplatz (BYOD);
  • e-Unternehmenskommunikation (wer, was, wann, wie, wo bzw. eben nicht);
  • Kontrollmöglichkeit durch Vorgesetzte, anonyme Überwachung sowie grundsätzliche Legitimation, bei Verdachtsfällen personenbezogene Überwachung durchzuführen;
  • Sanktionen bei Missbrauch: Verweis, Verwarnung, Kündigung, Schadenersatz.

Der Arbeitgeber kann ein Nutzungsreglement aufgrund seines Weisungsrechts auch einseitig erlassen. Dabei ist auf die Kenntnisnahme durch die Mitarbeitenden zu achten. Ihre Anwältin, Ihr Anwalt hilft Ihnen gerne bei der Umsetzung.

 

Fazit

Dank neuen Technologien warten im Sekundentakt innovative, gewinnbringende Möglichkeiten auf ihre Nutzung. Es ist weder möglich noch sinnvoll, sich diesen Chancen zu verschliessen. Arbeitgeber und Mitarbeitende sollten einvernehmlich den Einsatz neuer Medien, Gadgets und Arbeitsmitteln sowie das erwartete Verhalten diskutieren. Es gilt zu bestimmen, welche Anwendungen im Geschäftsalltag Platz finden sollen und welche in den Privatbereich gehören.

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